Nur ein neues Geldsystem kann den Fortbestand des Euro sichern

Die ehemalige IWF Präsidentin Christine Lagarde hat die Nachfolge des langjährigen EZB-Präsidenten Mario Draghi angetreten. Es ist ein schweres Erbe, nachdem die ultralockere Geldpolitik immer wirkungsloser wird. Alleine wird sie es nicht schaffen, den Euro zu retten. Sie braucht die Politik und den Druck der Märkte.

Die letzte Eurokrise hatte gezeigt, dass unpopuläre und bisher nicht denkbare Notenbankinstrumente der EZB notwendig waren, um unser Geldsystem am Laufen zu halten. Die Politik war 2011 nicht auf die Eurokrise vorbereitet. Die nur zaghaft eingeleiteten Maßnahmen konnten die Krise kurzfristig nicht lösen. Draghi ist damals in die Lücke hineingestoßen, die die Politik offengelassen hat. Ohne sein beherztes Eingreifen wäre der Euro zerfallen. Draghi hatte durch seine Maßnahmen zweifelsohne die Grenze zur Staatsfinanzierung überschritten, auch wenn sie rechtlich nicht angreifbar sind. Nun aber müssen tragbare nachhaltige Lösungen diskutiert und vorbereitet werden. Denn eines ist sicher: Die nächste Eurokrise kommt bestimmt. Die neue Präsidentin wird dann noch tiefer in die Trickkiste der Notenbankinstrumente greifen müssen, um die Währung vor einem Verfall zu bewahren.

Der Euro ist lediglich eine Bargeldunion

Den Marktteilnehmern – aber auch manchen Politikern – ist klar, dass der Euro keine stabile Konstruktion ist. Der Hauptfehler ist eine nach wie vor nicht vollendete Währungsunion. Jeder Ökonom weiß, dass es sich nur um eine Bargeldunion handelt. Die europäischen Regierungen sind nicht willens, ihre finanzpolitische Souveränität zugunsten eines echten gemeinsamen Euroraumes aufzugeben. Das Grundproblem liegt in der Tatsache, dass die Geldscheine, die von der Notenbank ausgegeben und durch Zentralbankgeld gedeckt sind, nicht dem Giralgeld gleichgestellt sind. Das Giralgeld entsteht durch die selbstständige Kreditschöpfung der Geschäftsbanken. Für diese können die Eurostaaten im Zweifelsfalle die notwendige Garantie nicht stellen, da die vorhandene Einlagensicherung von 100.000 Euro nicht ausreicht. Man sollte die Zeit jetzt nutzen, um eine breite Diskussion in der Gesellschaft anzustoßen, die bei einer erneuten Eurokrise, hervorgerufen durch eine tiefe Rezession, die passende geldpolitische Antwort hat.

Vollgeldsystem wäre eine Alternative

Eine Möglichkeit wäre es, unseren Euroraum auf ein Vollgeldsystem umzustellen. Erfolglose Versuche gab es bereits Anfang der 1930er Jahre in den USA und 2018 in der Schweiz. Der Kernpunkt dieses Systems besagt, dass ausschließlich die Notenbank die Möglichkeit hat, Geld zu schöpfen und nicht die Geschäftsbanken. Dabei wird das geschöpfte Giralgeld dem Notenbankgeld gleichgestellt, weil der Staat für die Deckung der ausgegebenen Währung garantiert. Für die Konsumenten würde sich nichts ändern. Die einzigen, die die Auswirkungen zu spüren bekommen würden, wären die Staaten. Sie könnten ihre Schuldenexpansion nicht mehr über die Schaffung von Giralgeldern der Banken finanzieren. Es wäre die Entkoppelung des Euros von politischer Beeinflussung.

Der Weg dahin wäre die Schaffung einer sicheren Bankeinlage, indem man das vorhandene Giralgeld zu 100 Prozent durch Reservegeld deckt. Die EZB könnte in einer Aktion einen Großteil der umlaufenden Staatsanleihen einsammeln. Die Staaten hätten so die einmalige Chance, ihren Schuldenstand zu verringern. Die EZB wandelt diese Verbindlichkeiten dann in Zentralbankgeld um und baut eine Art Sicherungsvermögen auf. Die vorhandene Digitalisierung schafft dann die Möglichkeit, dass die EZB über eine geschlossene Blockchain den Marktteilnehmern die Nachfrage nach Zentralbankgeld ermöglicht. Wenn die Banken nur noch so viel Geld verleihen dürfen, wie sie haben, sinkt die Gefahr eines sogenannten Bank Runs erheblich. Es gibt durch die Zentralbankdeckung schlicht keinen Grund mehr Geld abzuheben. Die ständige Gefahr der Spekulationsblasen an den Märkten würde dadurch ebenfalls verringert, weil die Banken durch Kreditvergaben nicht mehr jeden Boom anheizen könnten. Nebenbei bemerkt würde durch die Verknappung des Geldes auch der Zins wieder einem gesunden Mechanismus ausgesetzt werden und seinen Marktpreis haben.

Nur der Druck der Märkte wird eine Bereinigung bringen

Klar ist, dass diese Maßnahme politisch nur unter extremen Druck der Märkte durchsetzbar wäre. Eine Neuregelung des Eurovertrages bedarf der Zustimmung aller beteiligten Länder. Die Nordländer müssten einer Monetarisierung der Staatsschulden zustimmen. Die Südländer müssten im Gegensatz akzeptieren, dass mit dem neuen Vollgeldsystem die weitere Steigerung der Staatsfinanzierung über die Schöpfung von Giralgeld nicht mehr möglich ist. Im derzeitigen Stadium ist die Politik nicht in der Lage, dieses Thema aktiv anzugehen. Wahrscheinlich wird man warten, bis die Probleme so massiv sind, dass das bestehende System einzustürzen droht. Erst dann könnten die Staatenlenker in einer Übernachtaktion diesen letzten Trumpf spielen, um die kollabierenden Kapitalmärkte zu beruhigen.

Über den Autor

Wolfgang Köbler kann auf eine klassische mehr als 35-jährige Karriere in der Finanzbranche zurückblicken. Nach verschiedenen Führungsaufgaben im Privatkundengeschäft war er zuletzt als Direktor im Wealth Management der Dresdner Bank AG tätig. Berufsbegleitend studierte er in den 80’iger Jahren an der Bankakademie und ist heute noch ehrenamtlich im Prüfungswesen der IHK tätig. Den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bildete immer die ganzheitliche Betreuung seiner Kunden. Seit 2005 ist Wolfgang Köbler Partner und Vorstand der KSW Vermögensverwaltung AG in Nürnberg. Neben dem Management eines Family Office widmet er sich der individuellen Betreuung von diskretionären Vermögensverwaltungsmandaten. Nebenberuflich fungiert er als Aufsichtsratsmitglied einer börsennotierten Gesellschaft und Finanzvorstand für eine kirchliche Institution.