Japanische Verhältnisse in Europa

Die Eurozone startet in das vierte Jahr der Nullzinspolitik. Das weckt Parallelen zu Japan, das diesen Zustand seit fast 20 Jahren kennt. Die Bank of Japan trat bereits in den 90er Jahren sehr aggressiv am Kapitalmarkt auf, senkte die Leitzinsen auf 0,5 Prozent. Seither stagnieren diese in einer engen Bandbreite. 1999 lagen die Zinsen erstmals bei null Prozent. Zaghafte Zinsanhebungen endeten bei maximal einem halben Prozentpunkt. Mit minus 0,10 Prozent sind die Leitzinsen aktuell auf einem bis dato absoluten Tiefpunkt angekommen. Die demografische Entwicklung Japans ist ebenfalls mit Europa vergleichbar, hat aber im einstigen Wirtschaftswunderland Asiens schon viel früher eingesetzt.

Die Mischung aus hoher Schuldenlast und Deflation machte den Banken in Japan schwer zu schaffen. Sie mussten viele faule Kredite abschreiben. Das zehrte an der Substanz und hatte eine stark eingeschränkte Kreditvergabe zur Folge. Eine dauerhaft florierende Wirtschaft setzt aber ein funktionierendes Banken- und Kreditwesen voraus.

Nichts spricht für nachhaltig steigende Zinsen
Ein Blick auf die Börsenkurse deutscher Banken zeigt auch hier verblüffende Parallelen. Die Profitabilität deutscher Kreditinstitute ist bei niedriger Kapitalausstattung nur noch ungenügend. Kommt es zu einem Anstieg fauler Kredite, könnte das manche Häuser in Bedrängnis bringen. Ähnlich wie in Japan fehlt es heute in Europa an dringend notwendigen Strukturreformen. In den Euroländern sind diese mangels politischem Willen und ungleichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schwer durchzusetzen.

Dennoch spricht in Europa nichts für nachhaltig steigende Zinsen. Sollte sich die Konjunktur in Europa weiter eintrüben, ist die EZB wohl kaum bereit, eine deutliche Zinswende einzuleiten. Eine Zinserhöhung würde den Euro stärken und den Südländern, die sich angesichts mangelnder Konkurrenzfähigkeit mit Problemen im Export konfrontiert sehen, noch mehr Gegenwind bescheren. Besonders hart treffen würden steigende Zinsen Unternehmen in Griechenland, Italien und Frankreich. Das Institut der Deutschen Wirtschaft stellte in einer Studie fest, dass rund 800.000 Unternehmen in elf untersuchten Ländern in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten. Das wären mehr als fünf Prozent der Firmen in diesem Wirtschaftsraum.

Europa vernachlässigt Strukturreformen – wie Japan
Höhere Zinsen hätten auch verehrende Auswirkungen für viele Staatshaushalte. Zwei Prozentpunkte mehr würden allein in Italien die jährlichen Zinszahlungen auf über 100 Milliarden Euro im Jahr 2025 katapultieren. Das entspräche einem Anstieg von rund 50 Prozent gegenüber 2017. Die Folge wäre ein weiter sinkender Spielraum für Investitionen und Wohltaten an die Bevölkerung. Dieser ist ohnehin schon sehr begrenzt, wie die Diskussionen um die Haushaltsdifferenzen mit der EU zeigten.

Nachhaltige Zinsanstiege sind auf Sicht daher einfach nicht denkbar und die Zeit drängt. Ebenso wenig wie Japan es bisher geschafft hat, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, vernachlässigt Europa die längst notwendigen Strukturreformen. Allein mit fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen wird nur Zeit gekauft. Lösungen, wie sich die Eurozone aus dem Schlamassel befreien kann, sind sie nicht. Das „Weiter so“ lässt der EZB keine großen Spielräume.

Über den Autor

Manfred Rath ist seit mehr als 35 Jahren im Vermögensanlagegeschäft tätig. Bereits nach der Ausbildung ging er den klassischen Weg zum Wertpapierspezialisten in der damaligen Bayerischen Vereinsbank. Dort übernahm er auch die Leitung eines Teams in der Nordoberpfalz, bevor er nach 27-jähriger Zugehörigkeit zur BHF BANK wechselte. In diesen 6 Jahren bei der Privatbank war der Schwerpunkt erneut die Vermögensanlage und -allokation sowie die stellvertretende Leitung der Niederlassung Nürnberg. Seit Juli 2012 ist er als Portfoliomanager für die KSW tätig.