Im Jahr des Tigers steht China auf dem Sprung

Wer aus Europa nach China kommt, ist in der Regel überwältigt von der scheinbar grenzenlosen Dynamik des Landes. Vom Optimismus und auch vom hohen Tempo, welches das Alltagsleben des Landes bestimmt. In der Volksrepublik entstehen in großer Zahl immer neue, innovative Startups. Dieses Bild einer Hightech-Nation hat sich im Börsenindex nicht gespiegelt: Chinas Aktienmarkt war 2021 einer der schwächsten weltweit. 2022, im gerade begonnenen Jahr des Tigers, scheinen die Perspektiven deutlich besser.

Die schlechte Performance der chinesischen Börse war auch der staatlichen Regulierungswut geschuldet, die vor allem die großen Internet- und Online-Konzerne traf.  Der Hang Seng Index in Hongkong verlor vergangenes Jahr rund 14 %, die führenden Tech-Indices büßten rund 30 % ein. Die anhaltende Regulierungswelle, die Krise im Immobiliensektor – ausgelöst unter anderem durch die Schieflage des Immobilienkonzerns Evergrande –, Stromausfälle und strikte lokale Corona-Lockdowns haben Chinas Wirtschaftswachstum zuletzt gebremst.

Die politischen und wirtschaftlichen Risiken in China werden auf absehbare Zeit groß bleiben. Dennoch schätzen wir das Marktumfeld für 2002 attraktiv ein.

Immobilienkrise bedroht Binnenkonjunktur

Die wichtigsten Fragen lauten derzeit: Wird die Nulltoleranzpolitik in Sachen Corona-Pandemie aufgehoben? Erholt sich das Wirtschaftswachstum? Lässt der Regulierungsdruck nach? Was macht der Immobiliensektor? Die No-Covid-Politik könnte ein geringeres Problem darstellen, falls die pandemische Lage im Laufe des Jahres aufgehoben wird.

Das Wirtschaftswachstum dürfte sich 2022 um 4,8 % einpendeln. Schärfere Regulierungen – wie im Sommer 2021 – sind vorerst nicht zu erwarten. Zu sehr ist die kommunistische Partei momentan damit beschäftigt, Auffanglösungen für den heiß gelaufenen Immobilienmarkt zu entwickeln. Man kann davon ausgehen, dass die Staatsführung im laufenden Jahr andere Prioritäten setzt. Sie will das Wachstum unterstützen und die ehrgeizige Sozialagenda vorantreiben. Dem Politbüro ist klar, dass die Exporte in 2022, durch die positiven Wirkungen der Lockdowns im Ausland abnehmen werden.

Notenbank hat noch viel Spielraum

Der Binnenkonsum soll daher gestärkt werden. Dem hat die chinesische Notenbank bereits Rechnung getragen, indem sie die Zinsen zum Jahresbeginn gesenkt und die Geldpolitik weiter gelockert hat. Im Unterschied zu den anderen Notenbanken weltweit hat China noch erhebliches Potential die Märkte zu stimulieren.

Fazit: Die gute Nachricht lautet: Alle hier beschriebenen Risiken würden die Kapitalmärkte momentan nicht unvorbereitet treffen. Die Märkte werden sich daher auf Anzeichen der Verbesserung konzentrieren. Die massive Korrektur der chinesischen Aktienmärkte im vergangenen Jahr bietet einige interessante Investitionschancen. Wir gehen davon aus, dass mit Ausnahme der durch den Staat regulierten Sektoren, die Wirtschaft sich robust zeigen und die chinesische Börse sich von den anderen Weltmärkten abkoppeln wird. Besondere Beachtung sollte Branchen wie Digitalisierung, Dekarbonisierung, Elektromobilität, Software und künstliche Intelligenz geschenkt werden. Geduld und Augenmaß haben sich bei Chinaanlagen in der Vergangenheit immer ausgezahlt und so wird es auch 2022 sein.

Über den Autor

Wolfgang Köbler kann auf eine klassische mehr als 35-jährige Karriere in der Finanzbranche zurückblicken. Nach verschiedenen Führungsaufgaben im Privatkundengeschäft war er zuletzt als Direktor im Wealth Management der Dresdner Bank AG tätig. Berufsbegleitend studierte er in den 80’iger Jahren an der Bankakademie und ist heute noch ehrenamtlich im Prüfungswesen der IHK tätig. Den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bildete immer die ganzheitliche Betreuung seiner Kunden. Seit 2005 ist Wolfgang Köbler Partner und Vorstand der KSW Vermögensverwaltung AG in Nürnberg. Neben dem Management eines Family Office widmet er sich der individuellen Betreuung von diskretionären Vermögensverwaltungsmandaten. Nebenberuflich fungiert er als Aufsichtsratsmitglied einer börsennotierten Gesellschaft und Finanzvorstand für eine kirchliche Institution.