Wie dringlich die Energiewende und Nachhaltigkeit in der Wirtschaft geworden sind, dürfte in den Industrieländern mittlerweile Konsens sein.

Der Krieg in der Ukraine hat den Sinneswandel noch einmal beschleunigt, indem er die Energiepreise auf Rekordhöhen getrieben hat. Die Sanktionen bewirken vor allem eines: Die Preisspirale dreht sich weiter nach oben und wird so schnell nicht wieder umkehren.

Die Gasspeicher in Deutschland sind nur noch zu rund einem Drittel gefüllt. Bundeswirtschaftsminister Habeck hat die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Mit Hochdruck wird über Ersatzlieferungen verhandelt – unter anderem mit dem Emirat Katar, obwohl wir seit dem Bau der Stadien für die Ende des Jahres stattfindende Fußball-WM wissen, dass dort unmenschliche Arbeitsbedingen herrschen. Zudem unterstützt das Regime radikale Islamisten und trägt daher Mitschuld an kriegerischen Handlungen. Ist der Gas-Bezug aus Katar also wirklich besser vertretbar als der Import aus Russland?

Werfen wir den Blick auf das Thema Kohle. Das schwarze Gold (ohne das wir aktuell in Deutschland wohl nicht auskommen) aus Russland durch (billige) kolumbianische Kohle ersetzen zu wollen, hat ähnlich wie das Gas aus Katar einen bitteren Beigeschmack. Die Mine „El Cerrejon“ gibt zwar vielen Menschen in der Region Beschäftigung, aber die Arbeitsbedingungen werden auch dort angeprangert. Fließende Gewässer werden für den Bergbau umgeleitet, was das Recht auf Wasser, Gesundheit und Ernährungssicherheit der Menschen untergräbt.

Klimaschutz trotz wachsendem Energiehunger?

Die globale Wirtschaft und damit die Menschheit insgesamt sind unveränderbar mit Land, Wasser, Wäldern und Mineralien verbunden. Schneller als lange Zeit vermutet, nehmen die Schäden und Risiken durch die Klimaveränderung zu. Das erhöht massiv den Druck zu handeln. Der Energiehunger wächst jedoch weltweit. Immer mehr Menschen wollen und haben Zugang zu den Annehmlichkeiten des Lebens, was ohne Energie nicht zu bewerkstelligen ist.

Wie nachhaltig kann man in diesem Umfeld noch Geld anlegen? Und leistet dieser Investmentstil dann einen ernsthaften Beitrag zum Schutz des Klimas und weiteren Nachhaltigkeitsthemen, wie sozialer Gerechtigkeit und Beachtung ethischer Grundregeln?

Sicher ist das Lenken von Kapitalströmen hin zu nachhaltigen Investments ein Schritt in die richtige Richtung. Doch angesichts geopolitischer Spannungen, kriegerischer Handlungen in Europa und mehrmals aufgedeckten „Greenwashings“ zahlreicher Investmentfonds (z. B. durch das Verbraucherportal Faire Fonds) wird die Lage immer undurchsichtiger, gelten alte Grundsätze nicht mehr wie früher.

Rüstungsindustrie wird weniger verpönt

Hat die bisher verpönte Rüstungsindustrie tatsächlich nichts in einem nachhaltig ausgerichteten Portfolio zu suchen? Wie seit Wochen eindrucksvoll erkennbar (eigentlich sogar schon seit Einnahme der Krim im Jahr 2014), erscheint es bislang wenig wirkungsvoll, Sicherheits- und Verteidigungspolitik durch Wirtschaftssanktionen zu ersetzen.

Nachhaltiges Handeln muss weiterhin durch Angemessenheit im Umgang mit Menschen, Umwelt, Rohstoffen und auch Gewinnstreben geprägt sein. Ziele müssen immer wieder an die aktuelle Situation angepasst werden, Zielkonflikte müssen hinsichtlich Kosten und Nutzen von Entscheidungen abgewogen werden. Die einfachste Entscheidung beginnt jedoch immer beim eigenen Verhalten. Wer hier beginnt nachhaltiger zu leben und zu wirtschaften, wird die Erfolge schon bei der nächsten Strom- oder Tankrechnung spüren; das ist messbar und erzeugt ein doppelt gutes Gefühl.

Über den Autor

Manfred Rath ist seit mehr als 35 Jahren im Vermögensanlagegeschäft tätig. Bereits nach der Ausbildung ging er den klassischen Weg zum Wertpapierspezialisten in der damaligen Bayerischen Vereinsbank. Dort übernahm er auch die Leitung eines Teams in der Nordoberpfalz, bevor er nach 27-jähriger Zugehörigkeit zur BHF BANK wechselte. In diesen 6 Jahren bei der Privatbank war der Schwerpunkt erneut die Vermögensanlage und -allokation sowie die stellvertretende Leitung der Niederlassung Nürnberg. Seit Juli 2012 ist er als Portfoliomanager für die KSW tätig.