Aktienmarkt Japan: unbeliebt, untergewichtet – unterschätzt?

Japanische Aktien haben sich in den vergangenen Monaten außerordentlich gut entwickelt. Der Leitindex Nikkei und auch der breitere Index TOPIX notieren so hoch wie zuletzt Anfang der 90er Jahre. Auch dank der Investitionen von Warren Buffet genießt Japan wieder mehr Aufmerksamkeit bei Anlegern. Was hat sich geändert? Mausert sich Japan vom Geheimtipp zum Trend – nach drei Jahrzehnten, die von Deflation geprägt waren?

Internationale Investoren haben in den zurückliegenden drei Dekaden die Aktien der drittgrößten Volkswirtschaft trotz günstiger Bewertungen eher gemieden. Japanische Unternehmen galten als träge und aktionärsunfreundlich. Bargeld wurde in den Unternehmen gehortet, anstatt die Mittel in Form von Dividenden auszuschütten, Aktien zurückzukaufen oder zu investieren.

Mehr Dividenden, mehr Aktienrückkäufe
Seit 2014 haben die Regierung von Shinzo Abe sowie die Tokyo Stock Exchange verschiedene Reformen auf den Weg gebracht. Ziel ist, Japan wieder attraktiv für in- und ausländische Investoren zu machen. Unter anderem wurden die Unternehmen verpflichtet nachzuweisen, wie sie ihr Kapital verwenden. Dies ist sicher einer der Gründe, warum sich Gewinnausschüttungen sowie Rückkäufe japanischer Aktien 2023 auf Rekordniveau befinden.
Im ersten Quartal des laufenden Jahres überraschte Japan mit einem BIP-Wachstum von real 1,6%. Nominal nahm das BIP um beachtliche 8,3% zu. Wachstumstreiber waren der Privatkonsum und das Wiederaufleben des Tourismus. Kaum ein anderes Industrieland kann mit dieser Dynamik mithalten. Zudem profitiert Japan vom Bezug günstiger russischer Energie aus den Sachalin-Feldern. Damit ergibt sich vor allem gegenüber Europa ein massiver Wettbewerbsvorteil.

Die Berichtssaison der Unternehmen für das erste Quartal 2023 verlief besser als erwartet, zudem lagen die Ausblicke im Schnitt über den Erwartungen. Dennoch sind die Unternehmen mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 14 im TOPIX weiterhin moderat bewertet.

Schwacher Yen – Vor- oder Nachteil?
Die Kerninflation in Japan hat im Dezember 2022 mit 3,7% den höchsten Stand seit 41 Jahren erreicht. Dennoch will die japanische Notenbank auch unter ihrem neuen Chef Ueda an der lockeren Geldpolitik vorerst festhalten. Japan ist damit das einzige Land mit einem negativen Leitzins, der aktuell bei -0,1% liegt.

Dies hat dazu geführt, dass der japanische Yen zum Euro auf seinem tiefsten Stand seit 2008 notiert. Die Währungsschwäche verschärft zwar den Preisanstieg für Importe. Japanische Exporteure haben damit aber einen Wettbewerbsvorteil. Gleichzeitig heizen kräftige Lohnsteigerungen die Inlandsnachfrage an.
Für Euro-Anleger ist Vorsicht geboten. Sorgt der niedrige Yen mangels Anlagealternativen für ein aktienfreundliches Umfeld innerhalb Japans, hat er in diesem Jahr den Gewinn des Euro-Investors deutlich geschmälert.

Fazit: Nach der starken Rally der japanischen Aktienmärkte in diesem Jahr steigt kurzfristig das Risiko von Gewinnmitnahmen. Dennoch liegen die Bewertungen der Aktien im TOPIX in etwa auf Ihrem Zehn-Jahres-Durchschnitt und damit noch nicht zu hoch. Die Reformen, die weiterhin lockere Geldpolitik, günstige Energie aus Russland und der schwache Yen bilden ein freundliches Umfeld für Unternehmen und Aktionäre. Zudem bietet Japan eine Option auf den Aufschwung Asiens ohne selbst von politischen Unwägbarkeiten wie in China belastet zu sein. Japan ist damit in jedem Falle einen zweiten Blick wert und könnte sich als Gegenpol zum hoch bewerteten US-Aktienmarkt etablieren.

Über den Autor

Stefanie Dyballa von der KSW Vermögensverwaltung

Als gelernte Bankkauffrau und Betriebswirtin IHK verfügt Stefanie Dyballa über eine mehr als 20-jährige Expertise in der Beratung wohlhabender Privatpersonen und Unternehmen. Nach einer Ausbildung bei der Commerzbank AG in Nürnberg übernahm Stefanie Dyballa 2003 die Position der Private Banking Beraterin. Ab 2011 begleitete sie für sieben Jahre große Firmenkunden und Institutionelle in den Themen Währungs-, Rohstoff- und Assetmanagement.
Die Leidenschaft für Wertpapiere führte sie 2018 zurück in das Privatkundengeschäft. Im Wealth Management Nürnberg der Commerzbank AG übernahm sie als Senior Anlagemanagerin die Beratung anspruchsvoller, vermögender Privatpersonen. Ihre ausgesprochen hohe Kundenorientierung und individuelle Betreuung führt Stefanie Dyballa seit Januar 2023 als Portfoliomanagerin bei der KSW fort.