Warum der Crash auch diesmal ausbleiben wird

Pandemie, Krieg, Inflation – unser Wohlstand scheint in Gefahr wie lange nicht. Eine Zeitmaschine wie die aus dem Kinohit „Zurück in die Zukunft“ würde sicher helfen, die jetzige Situation besser verstehen und bewerten zu können. Drehten wir die Zeit knapp 50 Jahre zurück, würden wir die Parallelen, aber auch die Unterschiede zu heute erkennen.

Die politische und wirtschaftliche Entwicklung seit Ende 2021 hat den Albtraum der Kapitalmärkte, die Angst vor der Stagflation, wieder aufkommen lassen. Die letzte Stagflation erlebten wir nach dem Jom-Kippur-Krieg in Israel 1973, hervorgerufen durch einen Ölboykott der arabischen Welt. Die damalige Krise führte zu einem plötzlichen Ölpreisschock, der eine steigende Inflation bei zugleich schrumpfender Wirtschaft hervorbrachte. Der autofreie Sonntag, an den sich noch viele erinnern, war nur eine der Randerscheinungen der damaligen Zeit. Heute, fast 50 Jahre später, scheint es, als wären wir wieder in der gleichen Situation.

Eine Stagflation entsteht in der Regel aus einem Angebotsschock heraus. Darunter versteht man die plötzliche Verknappung wichtiger Produkte für die Wirtschaft. Das passiert zurzeit durch die Störung der Lieferketten aufgrund der Covid-Lockdowns in China und durch das (Teil-)Embargo russischer Energieträger. Die Welt ist heute jedoch eine andere als vor 50 Jahren. Die internationalen Notenbanken sehen die Stagflation als schlimmstes Szenario. Zweifelsfrei stellten die vergangenen beiden Jahre eine große Herausforderung für die Zentralbanken dar: Sie sollten die Wirtschaft am Laufen und zugleich die Inflation im beherrschbaren Rahmen halten. Die staatlichen Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur während der Pandemie zeigten ihre volle Wirkung erst im zweite Halbjahr 2021. Die Notenbanken steuerten die Entwicklung der Geldmenge auf Basis vergangener Daten. Eine Pandemie diesen Ausmaßes gab es aber in den Statistiken nicht.

Die Zinswende ist vollzogen

Die zögerliche Haltung der Notenbanken endete nun jäh. Wir befinden uns jetzt in einem Umfeld steigender Zinsen, um die Inflation einzufangen. Der Krieg in der Ukraine hat die Problematik zusätzlich verschärft und die Energiepreise weiter in die Höhe getrieben. Käme es an den Energiemärkten zu einer Entspannung und fänden die Pandemie-Beschränkungen in China ein Ende, verringerte sich die Gefahr einer Stagflation deutlich. Auch eine breitere Diversifizierung der Rohstoffversorgung Europas würde für Entspannung sorgen/das Risiko mindern Dies wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Value schlägt Growth in Inflationsphasen

In diesem Umfeld wird es für Kapitalanleger besonders schwierig, auskömmliche Real-Renditen zu erzielen. Keine Anlageklasse bietet nun den absolut sicheren Hafen und erst recht keinen kurzfristigen Inflationsausgleich. Im laufenden Jahr sind die Depotwerte selbst bei umfassender Risikostreuung zurückgegangen. Die Beteiligungsfirma Blackrock bezieht dazu in einer Langfrist-Studie ausführlich Stellung: In Phasen der Hochinflation schlugen Value-Titel am ehesten den Markt, in Zeiten tiefer Inflationsraten und niedriger Zinsen waren dagegen Wachstumsaktien die eindeutig bessere Kapitalanlage. In der Studie kam man zu dem Ergebnis, dass bei Preissteigerungen über 4,4 Prozent Value-Aktien am meisten profitieren konnten.

Völlig alternativlos ist die Aktienanlage jedoch auch in Zeiten extrem hoher Inflation nicht, auch wenn viele dies behaupten. Der Blick in die 70er Jahre zeigt, dass Aktienmärkte auch über einen längeren Zeitraum stagnieren können. Einzig Gold profitierte Ende der 70er Jahre massiv, aber eben nicht Mitte jenes Jahrzehnts, als der Ölpreisschock die Wirtschaft erst einmal durcheinander wirbelte.

Wir empfehlen derzeit abzuwarten und Qualitätsaktien ins Depot zu holen. Darunter verstehen wir insbesondere Klassiker aus nicht zyklischen Sektoren, wie dem Konsumgüter- oder Pharmabereich, auch niedrig bewertete hochprofitable Value-Unternehmen gehören ins Portfolio. Dazu zählen nach unserem Ermessen hoch profitable Automobil-Konzerne, die aufgrund ihrer Marktstellung in der Lage sind höhere Preise durchzusetzen, um damit steigende Produktionskosten abzufangen.

Stagflation begünstigt tendenziell defensive Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen für den Menschen unverzichtbar sind. Das bedeutet, dass sich deren Aktienkurse tendenziell besser entwickeln, wenn sich die Wirtschaft verlangsamt. Dividenden kassieren und einen strategisch höheren Cash-Anteil zu halten, erscheint ratsam, um die Marktschwankungen besser nutzen zu können. Das strategische Halten von Edelmetallen im Vermögen wird einen weiteren Stabilitätsanker bringen. Blindes Investieren, z.B. indem man einen Weltaktienindex abbildet, wird in der momentanen Situation keinen realen Kapitalerhalt bieten können.

Würden wir jetzt die Zeitmaschine aus dem Film „Zurück in die Zukunft“ nutzen und in das Jahr 2025 reisen, so würden wir feststellen, dass sich die Welt weiter gedreht hat, die Menschen am liebsten ihren gewohnten Alltag weiterleben und sämtliche Crash-Propheten, die drei Jahre zuvor eine Hyperinflation und den Untergang der Welt prophezeiten, erneut geirrt haben!

Über den Autor

Wolfgang Köbler kann auf eine klassische mehr als 35-jährige Karriere in der Finanzbranche zurückblicken. Nach verschiedenen Führungsaufgaben im Privatkundengeschäft war er zuletzt als Direktor im Wealth Management der Dresdner Bank AG tätig. Berufsbegleitend studierte er in den 80’iger Jahren an der Bankakademie und ist heute noch ehrenamtlich im Prüfungswesen der IHK tätig. Den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bildete immer die ganzheitliche Betreuung seiner Kunden. Seit 2005 ist Wolfgang Köbler Partner und Vorstand der KSW Vermögensverwaltung AG in Nürnberg. Neben dem Management eines Family Office widmet er sich der individuellen Betreuung von diskretionären Vermögensverwaltungsmandaten. Nebenberuflich fungiert er als Aufsichtsratsmitglied einer börsennotierten Gesellschaft und Finanzvorstand für eine kirchliche Institution.