Die Technologie-Party geht weiter

Die Kurse von Technologiewerten entfernen sich immer mehr von herkömmlichen Bewertungsmaßstäben. Für Anleger bedeutet dies, dass sie selektiver vorgehen und Unternehmens-Stories kritisch hinterfragen müssen. Dennoch gehören Aktien weiterhin ins Depot. Denn die globale Geldschwemme wird die Vermögenspreise weiter steigen lassen.

Über 90 % aller Staaten stecken in einer Rezession, ihre Schuldenquoten schießen in die Höhe. Allein in den vergangenen Monaten nahmen die Länder weltweit neue Kredite im Umfang von rund 10 Billionen US-Dollar auf. Das Risiko, dass einige Staaten ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen (können), wird von den Kapitalmärkten derzeit komplett ausgeblendet.

Die Kaufprogramme der Notenbanken werden von den Anlegern als Garantie für „nie wieder fallende Kurse“ bei Anleihen und somit als ewige Null-Zins Situation hingenommen, worauf sich viele Anlagestrategien im Anleihesegment begründen. Dividenden von Aktien wurden zwischenzeitlich als neue Zinsen gefeiert, doch auch dieses Thema zieht nicht mehr. Dividenden will niemand mehr haben, Technologie ist das aktuelle Zauberwort am Anlagehimmel. Der teilweise kometenhafte Kursanstieg einiger Aktien hinterlässt sowohl jubelnde als auch ungläubige Anleger.

Fortschritt gewinnt an Dynamik

Die Bewertungen großer Technologiewerte erinnern an die Sorglosigkeit zu Zeiten der Internetblase vor 20 Jahren. Auch damals zählten phantastische „Stories“ mehr als Substanz und Ertrag des jeweiligen Unternehmens. Doch die damaligen Verhältnisse sind nur schwer mit der aktuellen Situation vergleichbar. Zum einen gab es zu jener Zeit noch Zinsen. Zum anderen hat der Druck zugenommen, neue Technologien schneller (weiter) zu entwickeln. Diese Dynamik hat sich nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie beschleunigt.

Trotzdem darf man sich zum Beispiel die Frage stellen, ob ein Unternehmen wie Tesla an der Börse dauerhaft mehr wert sein kann, als die beiden größten Automobilhersteller der Welt zusammen, Volkswagen und Toyota. Daneben werden auch viele Gesellschaften nur mit finanzieller Hilfe am Leben gehalten. Man spricht dabei von sogenannten Zombie-Unternehmen. Allein in Deutschland schätzt man ihre Zahl derzeit auf über 500.000, Tendenz steigend. Sobald die von der Politik initiierte Flut monetärer Hilfspakete der nächsten Schuldendiskussion weichen muss, wird sich schnell zeigen, wer ohne Badehose gebadet hat.

Auf Mix aus Trendsettern und Substanzwerten setzen

In der aktuellen Situation, die sich möglicherweise nicht so schnell ändert, besteht die Kunst darin, mit dem richtigen Portfolio-Mix weiterhin an dynamischen Entwicklungen zu partizipieren, aber auch nicht gleich komplett nach unten durchgereicht zu werden, wenn an der Börse möglicherweise Ernüchterung eintritt. Das wird nur mit einer durchdachten Mischung aus Trendsettern am Aktienmarkt einerseits, wie auch defensiven, vernachlässigten und substanzstarken Titeln andererseits halbwegs zu stemmen sein. Bei den Trendwerten ist die Konzentration auf Bereiche festzustellen, in denen der Wandel besonders erkennbar ist und damit strukturelles Wachstum erzielt wird. Hier wäre zum Beispiel die Digitalisierung in der Arbeitswelt, der Bildung und im Einkaufsverhalten hervorzuheben. Da sind schon mal jüngere Unternehmen mit auf die Watchliste zu nehmen, die erst in der Zukunft Geld verdienen werden.

Substanzielle Titel aus der Tech-Branche sind vor allem in den USA zu finden, Konzerne wie Adobe, Alphabet, Apple oder Microsoft sind seit Jahren erfolgreich und schwimmen in Geld. Auch wenn diese Werte analytisch gesehen nicht gerade günstig sind, es wird auf längere Sicht weiter aufwärts gehen (müssen).

Da die Korrelation der Rententitel zum Aktienmarkt, als auch die eingangs erwähnte Null- oder Negativverzinsung schon länger keine Absicherung in schwierigen Zeiten mehr bieten kann, dürfen alternative Investments als Vermögensbausteine und Aufbewahrungsmittel für den Geldwerterhalt keinesfalls fehlen.

Auf bessere Zeiten zu warten lohnt nicht, denn die enorme Geldschöpfung wird weiterhin den Anstieg der Vermögenspreise befeuern. Als Investor ist eine gehörige Portion Mut sicherlich angebracht. Blindlings mit der Herde zu laufen, dürfte sich jedoch auch diesmal eher als grob fahrlässig erweisen.

Über den Autor

Manfred Rath ist seit mehr als 35 Jahren im Vermögensanlagegeschäft tätig. Bereits nach der Ausbildung ging er den klassischen Weg zum Wertpapierspezialisten in der damaligen Bayerischen Vereinsbank. Dort übernahm er auch die Leitung eines Teams in der Nordoberpfalz, bevor er nach 27-jähriger Zugehörigkeit zur BHF BANK wechselte. In diesen 6 Jahren bei der Privatbank war der Schwerpunkt erneut die Vermögensanlage und -allokation sowie die stellvertretende Leitung der Niederlassung Nürnberg. Seit Juli 2012 ist er als Portfoliomanager für die KSW tätig.