KSW im Interview mit DIE WELT über nachhaltige Geldanlagen

Eine dreifache Angst hält viele Bundesbürger von Börseninvestments ab. Damit verschenken sie jedoch wertvolle Renditechancen für ihre Altersvorsorge. Nachhaltige Finanzprodukte bieten einen Ausweg. Sie eignen sich auch für den langfristigen Vermögensaufbau.

Drei Ängste sind es, die die Deutschen davon abhalten, ordentlich zu sparen: die Angst, Verluste zu machen; die Angst, profitgierigen Kapitalisten Geld in den Rachen zu werfen und die Angst, dass damit auch noch irgendwie Raubbau an Umwelt und Klima betrieben wird. Die tiefsitzenden Ängste halten auch viele Wohlhabende davon ab, überhaupt irgendein Anlageprodukt zu kaufen. Dabei lassen sich das Bedürfnis, Rendite zu machen inzwischen problemlos mit dem Wunsch verbinden, ein reines Gewissen zu haben. Die meisten Tu-Gutes-Investments sind als Sparplan verfügbar und eignen sich damit auch, um langfristig Vermögen aufzubauen. Anleger können Monat für Monat investieren und müssen nicht auf einen Schlag eine große Summe einsetzen. Das reduziert automatisch das Börsenrisiko. Allerdings müssen sie sich erst einmal durch ein Dickicht von Kürzeln und Abkürzungen quälen.

Formeln wie ESG oder SRI stehen für Investmentfonds, die nach ethischen, ökologischen und Nachhaltigkeitskriterien komponiert werden. ESG repräsentiert die englischen Wörter Environment, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. SRI steht für sozial verantwortliches Investieren. „Nachhaltige Finanzprodukte können sich durchaus für den langfristigen Vermögensaufbau eignen“, erklärt Thomas Wüst, Portfolioverwalter bei Valorvest in Stuttgart. Das gelte vor allem für Aktienfonds, die sich den sogenannten ESG-Regeln unterwerfen: „Neben den herkömmlichen Analysemethoden fließen in die Titelauswahl auch Nachhaltigkeitsratings ein, die eben auch Umweltkriterien, soziale Aspekte und Aspekte der Unternehmensführung berücksichtigen“, sagt der Finanzexperte. Allerdings erfüllt nur ein Bruchteil der Investmentprodukte diese Kriterien. „Nur rund jeder fünfzigste Publikumsfonds ist nachhaltig“, rechnet Gerhard Rosenbauer, Geschäftsführer der Avana Invest in München, vor.

Dabei ist sozial verantwortliches Investieren nicht allein etwas für das gute Gewissen. Unternehmen, die Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden und Anrainer fair behandeln und die Umwelt schonen, sind auch an der Börse erfolgreicher. Das sagt nicht irgendwer, sondern die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs, die vielen als Inbegriff des Wall-Street-Kapitalismus gilt. Demnach werfen Börsengesellschaften mit einem höheren Anteil weiblicher Beschäftigter einen Mehrertrag von 3,3 Prozent ab. Firmen, die sparsam mit Energie und Wasser umgehen und weniger Treibhausgase in die Umwelt pusten, erwirtschaften eine Überrendite von 2,6 beziehungsweise 1,8 und 3,1 Prozent. Auch Betriebe mit einer geringen Personalfluktuation laufen an der Börse besser. Eine konstruktive Unternehmenskultur mit einem eigenen Ombudsmann und einem Schutzprogramm für Whistleblower ist ebenfalls hilfreich. Indessen räumen die Goldman-Analysten ein, bei einer solchen Flut an Daten ließen sich die ethisch wertvollsten Aktiengesellschaften sehr schwer herausfiltern.

Die Goldmänner sind nicht die einzigen, die herausgefunden haben, dass sich ethisches und ökologisches Verhalten auch an der Börse auszahlt. „Es gibt zahlreiche Studien, die einen positiven Einfluss von Nachhaltigkeitsorientierung auf das Anlageergebnis sehen, insbesondere aus Risikogesichtspunkten“, sagt Jörg Horneber. Eine Metastudie der Universität Hamburg von 2015 aus 2200 Einzelstudien ergab, dass es in zwei Drittel der Fälle einen positiven Zusammenhang gibt. „Die Nachfrage steigt vor allem bei jüngeren Anlegern und Stiftungen, hat aber bei Privatpersonen noch nicht die Dynamik und Verbreitung wie bei institutionellen Anlegern“, sagt Horneber.

Viele Anleger wüssten noch gar nicht, dass es solche Investments überhaupt gibt, sagt Stephan Witt von der Vermögensverwaltung Finum Private Finance in Berlin: „Hier sollte das Bewusstsein geschärft und auch seitens der Berater aktiv darauf hingewiesen werden.“ Während Geldmanager meist auf aktiv gemanagte Fonds verweisen, bei denen ein Experte eine bewusste Aktienauswahl vornimmt, halten sich Selbstentscheider eher an Indexfonds (ETF). Diese Produkte kommen mit einer niedrigeren Gebühr aus und sind insofern insgesamt kostengünstiger, ohne dass ihre Wertentwicklung darunter nennenswert leiden würde. Im Gegenteil: Oft liegen ETF in den Vergleichstabellen ganz oben. Für fast jede Region existieren inzwischen ESG- oder SRI-Fonds. Sparer können entscheiden, ob sie lediglich klimafreundlich wirtschaftende Unternehmen auswählen wollen oder ihr Geld in Firmen packen, die sämtliche Nachhaltigkeitskriterien verfolgen.

„Es gibt unterschiedliche Ansätze wie zum Beispiel Best-in-Class, bei der die umweltfreundlichsten Unternehmen einer Branche identifiziert werden, oder Best-in-Classes mit zusätzlicher Berücksichtigung der Branchenbewertung sowie Fokussierungen auf bestimmte Branchen (Best-of-Class)“, fasst Jörg Horneber zusammen. Allerdings haben die Produkte den Beweis noch nicht angetreten, die breiten Märkte zu schlagen. Einige ESG-Fonds sind sogar leicht zurückgeblieben. „Nach meinen bisherigen Feststellungen entwickeln sich diese Produkte nicht besser oder schlechter als andere Produkte“, sagt Rosenbauer. „Nachhaltige Investments sind nicht automatisch besser oder schlechter als weniger wählerische Investments”, erklärt auch Stephan Witt. Tendenziell könne die Volatilität – also die Schwankungsanfälligkeit der Kurse – wegen der beschränkten Auswahl etwas höher sein: „Anleger sollten das bei der Wahl bedenken“. Dafür habe der Anleger ein gutes Gewissen, mit seinem Kapital etwas für die Umwelt getan zu haben.

Quelle: DIE WELT, 10.11.2018, Autoren: DANIEL ECKERT und HOLGER ZSCHÄPITZ