Indien läuft China den Rang als Werkbank der Welt ab

Indien wird für die Anleger immer interessanter. Jüngst übersprang das BIP pro Kopf eine wichtige Wachstumsmarke – und viele Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass Indien dem Nachbarn China den Rang ablaufen wird.

1.428.628.000 – so viele Einwohner berechneten die Vereinten Nationen zum 1.7.2023 für Indien. Das sind 3 Mio. Menschen mehr als in China leben und rund 18% der Weltbevölkerung. Ein riesiger Markt also, der immer attraktiver wird, denn die indische Gesellschaft ist relativ jung und die Wirtschaftsleistung pro Kopf wächst dynamisch.

Glaubt man den Experten der UN, geht das Bevölkerungswachstum weiter. Der Höhepunkt sei im Jahre 2064 mit fast 1,7 Mrd. Indern zu erwarten. Dabei ist die Bevölkerung sehr jung:  Das Medianalter liegt laut UN aktuell gerade einmal bei 28 Jahren. Für China liegt der Wert bei 39, in Deutschland sogar bei fast 45 Jahren.

Allein aufgrund des schnellen Bevölkerungswachstums und der jungen Gesellschaft wird Indien in den kommenden Jahren an wirtschaftlichem Einfluss gewinnen. Das zeichnet sich schon seit einiger Zeit ab: Indiens Bruttoinlandsprodukt wuchs laut dem Internationalen Währungsfonds in den vergangenen zehn Jahren real um ca. 72%. Die Wirtschaftsleistung in Asien gesamt legte in diesem Zeitraum nur 51% zu, in den USA um 23% und in Deutschland um knappe 12%.

Investoren wollen unabhängiger von China werden

Viele Länder erkennen in Indien auch eine Alternative zu China. Die politischen Spannungen und die Lieferkettenproblematik, die besonders während der Covid-Pandemie offenbar wurde, lassen internationale Unternehmen vermehrt in Produktionsstandorte auf dem indischen Subkontinent investieren. So wird etwa Apple sein wichtigstes Produkt, das iPhone, künftig zu 25% in Indien produzieren.

Auch weitere Premiumhersteller wie Mercedes-Benz sehen in Indien eine große Chance.
In der Nähe der Millionenmetropole Pune werden in einem Werk mit 1500 Mitarbeitern Fahrzeuge für den indischen Markt produziert. Der Absatz hat sich im vergangenen Jahr um 40% auf ca. 16.000 Fahrzeuge gesteigert. Das ist zwar in absoluten Zahlen kein Vergleich zu China – hier wurden ca. 750.000 Fahrzeuge verkauft – aber man sieht das Potential.

Das Beratungsunternehmen Ernst & Young rechnet in den kommenden Jahrzehnten mit einem kontinuierlichen Wachstumskurs der indischen Wirtschaft. Das Pro-Kopf-Einkommen soll sich bis 2047 versechsfachen.

Eine Mammutaufgabe

Neben dem großen Potential gibt es aber auch viele Herausforderungen, die angegangen werden müssen.  Ein Großteil der Bevölkerung lebt noch in Armut. Gut 45% der Menschen arbeiten in der Landwirtschaft, welche nur 15% zur Wirtschaftsleistung beiträgt. Das Ungleichgewicht der Einkommensverteilung führt immer wieder zu Unruhen und Protesten.

Auch die politische Situation ist nicht optimal. Korruption und autokratische Züge des Premierministers sorgen international für Verunsicherung bei Investoren. Die Infrastruktur ist für ein schnell wachsendes und wettbewerbsfähiges Land noch in den Kinderschuhen. Doch die Regierung setzt konsequent ihren 2020 beschlossen Plan zum Ausbau der Infrastruktur um. Bis 2025 sollen 1,2 Billionen Dollar investiert werden.

Allein 10.000 km Schnellstraßen baut das Land derzeit jährlich. Die Anzahl der Flughäfen hat sich seit 2013 auf 150 verdoppelt und es sollen noch 100 weitere dazukommen. Die Zugstrecken werden modernisiert und ausgeweitet. 1200 Elektrolokomotiven wurden dieses Jahr bei Siemens Mobility bestellt, welche bis 2033 ausgeliefert werden. Der Solarenergie-Park wächst jährlich um 50 Gigawatt.

Indien hat gerade ein Pro-Kopf BIP von 2000 $ überschritten. In Ländern wie Korea, Taiwan und China hat sich das Wachstum nach Überschreiten dieser Marke deutlich beschleunigt.

Der indische Aktienmarkt (MSCI India) konnte in den zurückliegenden zwanzig Jahren um durchschnittlich rund 12% pro Jahr zulegen und ist anspruchsvoll bewertet. Jedoch ist die Marktkapitalisierung durch das hohe und konstante wirtschaftliche Wachstum unterlegt. Aufgrund der attraktiven Perspektive halten wir Indien für eine Interessante Investitionsbeimischung.

Über den Autor

Jörg Horneber kann auf eine klassische mehr als 25-jährige Bankkarriere zurückblicken. Nach einer Ausbildung bei der Deutschen Bank AG im Privatkundengeschäft und einem berufsbegleitenden Studium bei der Bankakademie, übernahm er die Position als Berater im Private Banking der Deutschen Bank AG Nordbayern bis Ende 2005. Darauffolgend als Relationship Manager bei der Commerzbank AG Private Wealth Management. Den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bildete immer die ganzheitliche Betreuung seiner Kunden.Seit April 2012 verstärkt er das Team der KSW Vermögensverwaltung AG als Portfoliomanager. In dieser Funktion ist er mit der individuellen Betreuung von Vermögensverwaltungsmandaten betraut.