Der nimmersatte Staat greift den Anlegern jetzt früher in die Taschen

Das Jahr 2023 war sowohl für Anleger als auch für Sparer erfreulich. Denn nicht nur die Aktienbörsen entwickelten sich positiv, sondern es gibt auch wieder einen Zins, bei dem es sich lohnt zu sparen. Diese Kombination hat jedoch zur Folge, dass zu Beginn des neuen Jahres 2024 eine Steuerzahlung droht. Denn erstmals seit einigen Jahren wird die sogenannte Vorabpauschale bei Fonds und ETFs in relevanter Höhe fällig.

Verantwortlich dafür ist die Investmentsteuerreform, die bereits 2018 in Kraft getreten ist. Mit ihr wurde die ungleiche Behandlung von Fonds und ETFs, die Dividendenzahlungen ausschütten, gegenüber jenen aufgehoben, die sie thesaurieren. Denn bis zur Reform mussten nur Ausschüttungen unmittelbar vom Anleger versteuert werden, die thesaurierten Erträge, die den Kurswert steigern, wurden hingegen erst bei einem späteren Verkauf besteuert.

Mit der Vorabpauschale sollen nun auch bei thesaurierenden Fonds die angesammelten Erträge jährlich besteuert werden. Diese Besteuerung richtet sich jedoch nicht nach tatsächlichen Wertzuwächsen, sondern wie der Name vermuten lässt, erfolgt die Besteuerung in pauschalierter Form.

Basiszins der Bundesbank entscheidend

Die Vorabpauschale wurde zwar wie erwähnt bereits 2018 eingeführt, war jedoch aufgrund ihrer Berechnungsmethode während der vergangenen Jahre nicht relevant. Die Pauschale wird nämlich auf Grundlage des sogenannten Basiszinssatzes der Bundesbank berechnet. Der lag aber lange Zeit bei Null. Für 2023 hingegen wurde der Basiszins von der Bundesbank auf 2,55 Prozent festgelegt. Somit kommen nun erstmals relevante Steuersummen auf Anleger zu.

Für die Berechnung der Vorabpauschale wird zunächst ermittelt, ob der Fonds bzw. ETF im vergangenen Jahr eine positive Performance erwirtschaftet hat. Falls nicht, entfällt die Vorabbesteuerung. Fand jedoch ein Wertzuwachs statt, dann wird der Fondswert zu Beginn des Betrachtungsjahres mit dem Basiszins multipliziert. Von diesem Basisertrag werden wiederum pauschal 30 Prozent abgezogen, um beispielsweise Kosten des Fonds zu berücksichtigen. Auf den verbleibenden Betrag fallen anschließend die Kapitalertragsteuer, der Solidaritätszuschlag und ggf. die Kirchensteuer an.

Fairerweise ist zu erwähnen, dass etwaige (bereits versteuerte) Ausschüttungen des Fonds/ETFs noch vom Basisertrag vor der Steuerberechnung abgezogen werden. Auch bei einem niedrigeren Wertzuwachs des betrachteten Fonds, als es der Basisertrag suggeriert, wird der tatsächliche Wertzuwachs als Berechnungsgrundlage für die Steuer herangezogen. Die Gesamtbelastung erhöht sich in Folge der Vorabpauschale nicht, denn die vorab gezahlten Steuern werden später beim Verkauf des Fonds berücksichtigt und verrechnet.

Die Schattenseite dieser Besteuerungsmethode: Der Anleger muss Steuern abführen, ohne dass ihm liquide Mittel zugeflossen sind – die Besteuerung ist demnach Cashflow-Negativ!  Noch viel schwerer wiegt, dass die Vorabpauschale eine steuerliche Einbahnstraße darstellt. Denn in positiven Märkten wird Steuer abgezogen, in negativen Marktphasen wird jedoch keine Steuer erstattet.

Unterm Strich wurde vom Gesetzgeber ein enormer bürokratischer Aufwand in Kauf genommen, um die Gewinnsteuer früher vereinnahmen zu können als bisher. Einer steuerlichen Gleichbehandlung von ausschüttenden und thesaurierenden Fonds ist man mit der Anwendung der Vorabpauschale jedoch sicherlich ein Stück nähergekommen.

Über den Autor

Tobias Wagner von der KSW Vermögensverwaltung

Tobias Wagner absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Privatbank Max Flessa KG. Im Anschluss studierte er Wirtschaftswissenschaften (B.A.) und Finance, Auditing, Controlling and Taxation (M.Sc.). Sein dabei erworbenes Wissen vertiefte er unter anderem in der Steuerberatung, in der Wirtschaftsprüfung und im Portfoliomanagement. Während seines Studiums schloss er außerdem eine Ausbildung zum IHK geprüften Immobilienverwalter ab. Bevor Tobias Wagner 2021 zur KSW kam, war er im Wertpapiergeschäft der UmweltBank AG tätig. In seiner Funktion als Portfoliomanager ist er nun mit der individuellen Betreuung von Vermögensverwaltungmandaten betraut.