Die Lage entspannt sich

Am 21. März lag der Ölpreis bei minus 40 US-Dollar. Grund war die Corona-Pandemie. Jörg Horneber erklärt, was die Lungenkrankheit angerichtet hat.

Minus 40 Dollar! Wer am 20. April 2020 ein Barrel (159 Liter) Rohöl der Sorte WTI verkaufen wollte, musste zeitweise noch Geld drauflegen, anstatt einen Verkaufserlös dafür zu erhalten. Geringe Nachfrage, volle Lager und ein Verfallsdatum am Terminmarkt hatten zusammen für diese verrückte Situation gesorgt. Der Handel wurde vorübergehend ausgesetzt. Inzwischen notiert der Kurs bei rund 38 US-Dollar.

Der Kurseinbruch am 20. April 2020 kam überraschend und heftig. Innerhalb weniger Sekunden gab der Preis für Öl der Sorte WTI über 30 Prozent nach und rutschte in einer extremen Übertreibung sogar ins Negative.

Die Gründe für diese enormen Verwerfungen sind vielschichtig. Die Welt bewegt sich im Corona-Modus. Viele Volkswirtschaften erlebten den Lockdown und damit einhergehend noch nie da gewesene wirtschaftliche und gesellschaftliche Einschränkungen. Weltweit stehen viele Fabriken, Autos, Flugzeuge usw. still. In den USA ist die Nachfrage nach Kerosin um knapp 80 Prozent zurückgegangen. Apples Bewegungsprofilen zufolge sind nicht einmal halb so viele Amerikaner wie vor der Pandemie mit dem Auto in den USA unterwegs. Dadurch werden sehr viel weniger Öl und dessen Destillate wie Benzin und Kerosin nachgefragt.

Zusätzlich, und das war der zweite Schock für den Ölmarkt, konnten sich die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) und Russland nicht auf eine gemeinsame Fördermengenbegrenzung einigen. Dieses Opec+ genannte Kartell hatte sich zur Preisstabilisierung in den vergangenen Jahren immer über eine maximale Ölproduktion verständigt.

Um auf die reduzierte Nachfrage durch die Corona-Krise zu reagieren, sollte eine neue Höchstfördermenge bestimmt werden. Da waren die Ölpreise aufgrund des Lockdowns in China bereits deutlich gen Süden gerutscht. Russland erachtete die Preissituation allerdings als angemessen und wollte keinen reduzierten Förderquoten zustimmen. Durch diese Entscheidung sackte der Preis je Barrel nochmals um rund 30 Prozent ab.

Aktuell erwartet die Opec im laufenden Jahr eine durchschnittliche Nachfrage von 90 Millionen Barrel Rohöl pro Tag. Das sind zehn Prozent weniger als der Durchschnitt im Jahr 2019. Da der technische Aufwand für eine Stilllegung von Produktionsstätten immens ist, läuft die Erdölförderung fast unvermindert weiter.

Bei älteren Ölfeldern bestünde sogar die Gefahr, dass die Förderung abreißt, also nicht mehr wieder aufgenommen werden könnte. Einfacher wäre es für die Fracking-Industrie, die Fördermengen zu kürzen. Hier wird aber auch fast unvermindert weiterproduziert. Die relativ jungen Unternehmen sind überwiegend hochverschuldet und müssen weiter Einnahmen erzielen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Solange Covid-19 die Wirtschaft bremst, wird das Ölangebot den Bedarf übersteigen. Die Lagermöglichkeiten sind ausgereizt. Sogar Öltanker, die normalerweise für den Transport des Rohöls gebraucht werden, werden als schwimmende Lager gechartert. Kaum Lagerkapazität, wenig Nachfrage – das hat den Ölmarkt kollabieren lassen. Die Lunte brannte also schon, ein Fälligkeitstermin auf dem für Rohstoffe enorm wichtigen Terminmarkt ließ dann am 20. April den Preis implodieren.

Rohöl wird zum einen physisch gehandelt. Am Kassamarkt wird Geld gegen Ware gehandelt. Dies ist aber nur möglich, wenn man über Lager- und/oder Raffinerien etc. verfügt. Zum anderen wird Rohöl an Terminmärkten gehandelt, hauptsächlich von reinen Finanzinvestoren.

Panik am Terminmarkt

Alle Terminkontrakte besitzen eine Fälligkeit. Wer nicht an einer physischen Lieferung interessiert ist, wechselt vom auslaufenden Kontrakt in die nächste Fälligkeit. Dabei spricht man vom sogenannten „Rollen“. Dazu wird der gehaltene Kontrakt geschlossen (verkauft) und ein neuer Kontrakt geöffnet (gekauft). Zwei Ölkontrakte besitzen eine globale Bedeutung: Brent und WTI.

WTI steht dabei für West Texas Intermediate. Die Hauptunterschiede liegen darin, dass Brent (sogenanntes Nordseeöl) „cash gesettelt“ wird, also auslaufende Kontrakte in Geld abgerechnet werden. WTI hingegen wird „physisch gesettelt“, fällige Kontrakte werden mit Ware bedient. Wer nach dem Verfall einen „Long“ WTI-Öl-Kontrakt besitzt, bekommt den Rohstoff geliefert.

Besonderheit hierbei: Die Lieferung erfolgt in Cushing (Oklahoma/größter Öllagerplatz der USA), ziemlich weit weg von Ozeanen und internationalen Märkten. Der WTI-Mai-Kontrakt lief am 21. April aus. Durch die Gesamtsituation kam am letzten Handelstag Panik auf. Wer jetzt noch investiert war, würde den Rohstoff Ende Mai ausgeliefert erhalten. Das wollten die Händler um „jeden Preis“ verhindern.

Diese Situation wurde durch Spekulanten noch verschärft. Für viele Marktteilnehmer war es günstiger, für den Verkauf noch etwas zu bezahlen. Bis zu 40 US-Dollar wurden pro Fass noch draufgelegt, um den Kontrakt zu schließen. Der Kontrakt für den Folgemonat Juni blieb hingegen relativ stabil bei 20 US-Dollar. Eine Stabilisierung der globalen wirtschaftlichen Verfassung nach Corona sollte die Nachfrage und damit die Situation am Ölmarkt wieder entspannen.

Über den Autor

Jörg Horneber kann auf eine klassische mehr als 25-jährige Bankkarriere zurückblicken. Nach einer Ausbildung bei der Deutschen Bank AG im Privatkundengeschäft und einem berufsbegleitenden Studium bei der Bankakademie, übernahm er die Position als Berater im Private Banking der Deutschen Bank AG Nordbayern bis Ende 2005. Darauffolgend als Relationship Manager bei der Commerzbank AG Private Wealth Management. Den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bildete immer die ganzheitliche Betreuung seiner Kunden.Seit April 2012 verstärkt er das Team der KSW Vermögensverwaltung AG als Portfoliomanager. In dieser Funktion ist er mit der individuellen Betreuung von Vermögensverwaltungsmandaten betraut.